Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen

Münchendorf, November 2023

Zwischen Regulierung und Innovation – Wege zur Bekämpfung gefälschter Medikamente

Die Umsetzung der „Falsified Medicines Directive“ in Europa hat Pharmaherstellern einen enormen Aufwand beschert. Die Hürden für Fälscher sind dadurch gestiegen. Um aber voll wirksam zu werden, müssten Verbraucher und Konsumenten offen in die digitale Kommunikation eingebunden werden. Dr. Marietta Ulrich-Horn, geschäftsführende Gesellschafterin von SECURIKETT, nimmt dazu Stellung.

FMD – die „Richtlinie über gefälschte Arzneimittel“
Die EU-Richtlinie 2011/62/EU wurde 2015 zu einem delegierten Rechtsakt und anschließend in ganz Europa umgesetzt. Sie gilt für alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die in der EU in Verkehr gebracht werden.
Die wichtigsten Punkte sind die Kennzeichnung jeder Verpackung mit einem eindeutigen 2D-Code und der manipulationssichere Verschluss. Gesamt sollten diese Maßnahmen zu einer Art Sicherheitsverpackung führen, zu prüfen durch den Apotheker oder die ausgebende Stelle.

Das Konzept der unmündigen Patienten
Während alle 2D-Codes in Apotheken sorgfältig geprüft und validiert werden, bleibt der Patient außen vor. Er hat keinen Zugang zum digitalen Verifizierungssystem, und es wird kein Aufwand betrieben, ihm das fälschungssichere Siegel zu erklären.
Die Tatsache, dass hier oft Klebstoffe und Etiketten verwendet werden, die überhaupt nicht sicher sind, weil sie von jedem Fälscher leicht kopiert werden können, muss kritisch gesehen werden. So war es im Ursprungstext der FMD auch nicht gemeint. Schließlich hätte sich die Richtlinie auf „Sicherheitsmerkmale“ bezogen, die idealerweise auf der Grundlage einer Risikobewertung ausgewählt worden wären und die Überprüfung der Echtheit und Identität von Medizinprodukten gewährleistet hätten.
Auf jeden Fall wollten weder die Pharmahersteller noch die EU-Kommission daran denken, Patienten direkt einzubeziehen, da Patienten offensichtlich nicht kompetent sind und nicht in der Lage sind, zu überprüfen, was sie für ihre Gesundheit konsumieren.

Beispiel für ein fälschungssicheres Etikett mit Öffnungseffekt: beim Öffnen wird irreversibel ein Schloss sichtbar.

Der Internethandel lässt ungeprüfte Ware durchschlüpfen

Der Patient hat keine Möglichkeit mehr, die 2D-Codes zu überprüfen, die physischen Sicherheitsmerkmale sind ebenfalls nicht oder kaum vorhanden, und nun möchte der Verbraucher oder Patient schnell und anonym auf bestimmte Medikamente zugreifen.
Sie sind unsicher. Und tatsächlich wird kolportiert, dass 90% aller im Internethandel vertriebenen Medikamente gefälscht oder nicht in Ordnung sind. Das ist bekannt und die Regulierung geht daran zielstrebig vorbei. So in etwa „wer illegal einkauft, soll bestraft werden“ … Das kann’s nicht sein.

Die Prüfung des 2D Codes durch die Patienten ist möglich!

Das Prinzip ist einfach. Die eindeutige Kennung (UID), die als 2D-Code auf jeder Verpackung aufgedruckt ist, kann von zwei verschiedenen Cloud-Systemen gelesen werden:
– Erstens wird die UID vom EU-System „PharmaHub“ gelesen, das für die Überprüfung durch Apotheken vorgesehen ist und von diesen genutzt wird.
– Und zweitens steht dieselbe UID einer unabhängigen Cloud-Anwendung zur Verfügung, die Patienten die relevanten Informationen bereitstellt. Dazu gehört klarerweise auch die Echtheitsprüfung und die Erklärung der Safety-Features der jeweiligen Verpackung.

Apotheker und Patienten sollten gleichermaßen in der Lage sein
, 2D Codes auf Pharmaverpackungen zu scannen und die Echtheit der Medizinprodukte zu verifizieren. Technisch wäre dies
bereits jetzt machbar.

Solche unabhängige Cloud-Services sind vielfach im Einsatz. Man findet sie immer da, wo Hersteller selber aktiv werden im Kampf gegen Produktbetrug. Oder wo Hersteller eine direkte Kommunikationsschiene zu Verbrauchern aufbauen wollen. Cloud-Services zur Produktidentifikation unterliegen strengen Sicherheitsrichtlinien. Zahlreiche Internationale Standards beschäftigen sich damit. Der Integration von unabhängigen Cloudservices in einen EU-regulierten 2D Code steht daher längst nichts im Wege.

Der elektronische Beipackzettel kommt  Spätestens mit der Einführung des elektronischen Beipackzettels, die mehrsprachig sein oder auch vorgelesen werden kann, muss ein Umdenken stattfinden. Auch hierfür könnte der 2D-Code verwendet werden, ohne dass
zusätzliche Druck- und Verpackungskosten anfallen.

Durch das Scannen des auf der Verpackung aufgedruckten Codes wird eine Antwortseite aufgerufen und eine Verknüpfung mit digitalen Services, wie dem digitalen Beipackzettel, wird hergestellt.

Eine eindeutige Kennung – viele Vorteile – ohne zusätzlichen Aufwand
Die EU schreibt bereits vor, dass elektronische Anträge stets auf bereits vorhandene Daten zurückgreifen sollten. Da bietet sich die multiple UID-Nutzung an, durch ein Nebeneinander des „EU Pharmahubs“ mit innovativen und sicheren Cloudservices, welche die Patienten einbeziehen. Wer eine Online-Bestellung tätigen kann, wird auch eine Online-Prüfung schaffen, oder?

About the auther of the article

Dr. Marietta Ulrich-Horn
CEO of SECURIKETT Ulrich & Horn GmbH

As a delegate
of the Austrian Standards Institute, she led the ISO 22381:2018 standard on the interoperability of UID-based authentication systems.

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